Interview: Roman Krulich

Förderung seit August des neuen Projekts "Powergirls" im deutschen Frauenschach

Erschienen bei Rochade, Oktober 2021 | Download als PDF

1) Hallo Herr Krulich,
Sie sind Geschäftsführer der Immobiliengruppe Krulich und gründeten 2007 die Münchener Schachstiftung. Auch als Schachspieler haben Sie einiges erreicht, Sie nahmen 2008 an der Schacholympiade teil und erreichten eine Elo von 2250. Haben Sie heutzutage noch Zeit für Schach auf Wettbewerbsniveau?

Gelegentlich spiele ich persönlich noch offene Turniere. Ansonsten konzentriere ich mich aber lieber auf meine Sponsorentätigkeit für den SK König Plauen und MSA Zugzwang und vor allem auf die Förderung der Münchener Schachakademie und Münchener Schachstiftung. Im Lebenszyklus: „you learn, you earn, you return“ befinde ich mich ja inzwischen in der dritten Phase.

2) 2016 wurden Sie für Ihre Verdienste mit dem Deutschen Scl,achpreis ausgezeichnet. Ihre Schachstiftung fördert insbesondere Kinder aus bildungsfernen Familien und mit Migrationshintergrund. Wie genau sieht Ihr Konzept aus? Ist es ein Programm, das sich über mehrere Jahre erstreckt?

Die Münchener Schachstiftung bietet seit 2007 schachbasierte Bildungsförderung an: Zahlreiche wissenschaftliche Studien weltweit belegen die positiven Auswirkungen des Schachtrainings auf Schulkinder, aber auch auf Senioren im Hinblick auf eine wirksame Demenz-Prophylaxe. Vor diesem Hintergrund habe ich die Münchener Schachstiftung 2007 als gemeinnützige Stiftung gegründet. Vorstandsvorsitzender der Münchener Schachstiftung ist Schachgroßmeister Stefan Kindermann, Schirmherr ist der Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter. Mit unserem didaktischen Konzept „Schach nach Königsplan“ vermitteln wir speziell Grundschulkindern in sozialen Brennpunkten ganz gezielt wichtige Fähigkeiten für ihre schulische Laufbahn und ihr privates Leben: Neben Konzentrationsfähigkeit und Kreativität stehen hier effektive Denkstrukturen und Problemlösekompetenz im Vordergrund, die ohne Leistungsdruck auf spielerische Weise unterrichtet werden.

Zielgruppen des Förderprogramms sind Kinder und Jugendliche in sozial benachteiligten Gebieten in München, Menschen mit Behinderungen, bedürftige Senioren sowie krebskranke Kinder und Jugendliche und Jugendliche mit psychosomatischen Erkrankungen.

Diese Förderprogramme sind grundsätzlich langfristig angelegt und laufen zumindest über ein Schuljahr, oft auch länger. Momentan werden pro Jahr etwa 1.350 Schulkinder einmal wöchentlich durch unsere Trainer unterrichtet. Ausführliche Informationen zu unseren Projekten sind unter www.schachstiftung-muenchen.de zu finden.

3) Wie sieht es momentan bei der Nachwuchsförderung generell aus? Was muss getan werden, damit in Deutschland mehr Kinder und vor allem mehr Mädchen Schach spielen? Kann Ihre Stiftung da einen entscheidenden Impuls geben?

Ich bin sicher, dass die Projekte unserer Münchener Schachstiftung und Münchener Schachakademie dazu beitragen, auch eine ganze Reihe von Talenten hervorzubringen, die später dem deutschen Schach positive Impulse geben können. Bei vielen unserer Schulprojekte arbeiten wir mit ganzen Klassen, so dass „ganz automatisch“ auch viele Mädchen erreicht werden. Zudem kooperieren wir dabei eng mit unserem Schachverein MSA Zugzwang, dessen Sponsor ich bin. Hier haben wir seit mehreren Jahren eine Kinder-Jugendabteilung ins Leben gerufen, die von einem unserer Trainer intensiv betreut wird und auch regelmäßig an Turnieren teilnimmt.

4} Seit August fördern Sie ein brandneues Projekt im deutschen Frauenschach: Die „Powergirls“. Sechs junge Spielerinnen werden gezielt von einem GM betreut. Was hat Sie dazu bewegt, dieses Projekt finanziell zu unterstützen?

Immer noch hat leider das Frauen- und Mädchenschach in Deutschland nicht den Stellenwert, der wünschenswert wäre. Erfahrungsgemäß spielen überzeugende Vorbilder aus dem Spitzensport eine große Rolle, um junge Talente zu motivieren. Vor diesem Hintergrund finde ich die Initiative von Schachakademie-Mitbegründer und Stiftungsvorstand Gerald Hertneck als neuem Referenten für Leistungsschach in Deutschland absolut unterstützenswert. Hier findet sich die offizielle Pressemitteilung (Auszug Schachbund.de):

„Dank der Förderung durch die Immobiliengruppe Krulich mit Sitz in München kann der Deutsche Schachbund im August 2021 ein neues Förderprogramm im Frauenschach auflegen. Sechs talentierte Nachwuchsspielerinnen im Alter von durchschnittlich 20 Jahren können in den nächsten 12 Monaten vermehrt an Turnieren teilnehmen und bekommen einen individuellen Trainer gestellt, mit dem sie wöchentlich arbeiten. Einige werden auch ein komplettes Schachjahr einlegen.“

5} Wann haben Sie mit Schach angefangen? Welche Erinnerungen haben Sie an damals?

Mein Großvater hat mir mit fünf Jahren Schach beigebracht. Er war Lehrer und ein wirklich guter Didakt. Nach den Sommerferien habe ich dann gegen meinen Vater gewonnen. Das war für mich damals ein echtes Highlight. Mit 14 bin ich dann in einen Schachclub eingetreten. Seitdem hat mich Schach immer begeistert.

6} Was fasziniert Sie am Schachspiel?

Faszinierend finde ich natürlich die Vielfalt einerseits und die logische Struktur des Schachspiels andererseits. Es ist doch beruhigend, dass es im Schach fast immer nur einen „besten Zug“ gibt. Im richtigen Leben würde man sich das auch manchmal wünschen, wenn schwierige Entscheidungen zu treffen sind.

7) Gibt es eine Partie, die Sie selbst gespielt haben und an die Sie immer wieder gerne zurückdenken?

An das Finale in Bad Aibling 2015 erinnere ich mich gerne. Mein jüngerer Gegner und ich waren beide recht nervös. Die Partie war nicht wirklich hochwertig, aber spannend war sie und am Schluss hatte ich das glücklichere Ende.

8} Was war das Ungewöhnlichste, was Sie jemals im Rahmen einer Schachveranstaltung erlebt haben?

Ich spielte 2011 in San Sebastian ein offenes Turnier. Viktor Kortschnoi hatte am Nebenbrett eine Partie gegen einen dominikanischen Großmeister, den ich gut kenne. Am Ende musste sich Kortschnoi mit dem Läufer gegen den Turm verteidigen. Der dominikanische Großmeister bot ihm ungefragt Remis an. Er erzählte mir nach der Partie, dass er Kortschnoi, der gesundheitlich schon offensichtlich recht angeschlagen war, nicht verärgern wollte. Wer die Blicke von Kortschnoi live gesehen hat, konnte diese Entscheidung gut verstehen. Ich bekam auf jeden Fall auf diesem Wege ein schönes Kortschnoi-Buch mit persönlicher Widmung.

9} Können Sie gut mit Niederlagen im Schach umgehen?

Wer Schach spielt und mit Niederlagen wirklich gut umgehen kann, muss wohl erst noch geboren werden. Aber ja, im laufe der Jahre bin ich gelassener geworden, vor allem, wenn ich verdient verliere, weil der Gegner einfach besser gewesen ist.

10} Wie gut können Sie Ihre schachlichen Fähigkeiten im Alltag anwenden?

Die Technikdes Perspektivwechselssetze ich im Geschäftsleben oft ein. Es ist wichtig zuzuhören und zu verstehen, welche Ziele die andere Partei hat und dann einen vernünftigen Kompromiss zu finden. Und Anstand und Respekt finde ich im Schach genauso wichtig wie im richtigen Leben.

11) Was sind Ihre nächsten schachlichen Ziele?

Persönlich habe ich derzeit keine schachlichen Ziele. Ich konzentriere mich mehr auf mein Schach-Sponsoring und vor allem auch darauf, dass die Münchener Schachakademie und die Münchener Schachstiftung weiterhin prosperieren. Je erfolgreicher wir sind, desto mehr Kinder können wir mit unserer Arbeit erreichen und das macht mich glücklich.

12} Haben Sie auf dem Schachbrett ein „Lieblingsfeld“ ?

Mein Schachspiel ist wohl doch eher taktisch, daher ist f7 mein Lieblingsfeld, allerdings nur aus weißer Sicht:-).

13} Welche Schachspielerlnnen sind Ihre Vorbilder und aus welchem Grund?

Eines meiner Vorbilder ist mein langjähriger Freund Stefan Kindermann. Er hat schachlich sehr viel erreicht, aber er hat es vor allem auch geschafft, mit seinen Büchern, Vorträgen und seiner Arbeit für unsere Stiftung Schach vielen Menschen näher zu bringen. Besonders interessant finde ich das Thema, wie Denkstrategien aus dem Schach für Planen und Entscheiden im Beruf und Privatleben eingesetzt werden können. Dazu hat er mit Professor Robert von Weizsäcker das Strategiemodell „Königsplan“ entwickelt und auch ein Buch dazu publiziert(www. koenigsplan.com). Inzwischen vermittelt er das erfolgreich in Form von Vorträgen und Seminaren, z.B. für die bayerische Regierung oder große Unternehmen. Bei den Damen fällt mir Sabrina Vega ein. Ich kenne sie persönlich aus Gran Canaria und sie hat bereits zweimal an Turnieren, die wir gesponsert haben, teilgenommen. Sie steht mitten im Leben und ist ein großes Vorbild für viele junge Spielerinnen, vor allem in Spanien.

14} Wie wird Ihrer Meinung nach die Schachwelt in 10 Jahren aussehen?

Meine große Hoffnung wäre, dass Schach noch weiter an gesellschaftlicher Bedeutung gewinnt. Vielleicht lassen sich ja auch die Kultusministerien der Länder mal überzeugen, dass Schach ein perfektes Schulfach wäre. Es ist doch wunderbar, wenn Kinder das Gefühl haben, sie würden spielen, in Wirklichkeit aber verbessern sie ihre analytischen Fähigkeiten.

15) Welche Interessen haben Sie abgesehen vom Schach?

Ich bin dem Leben dankbar, dass ich vielseitige Interessen habe. Reisen und zeitgenössische Kunst gehören genauso dazu wie einige sportliche Aktivitäten. Zum Glück habe ich beim Golf bisher keinen Ehrgeiz entwickelt, sonst hätte ich für Schach gar keine Zeit mehr.

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